Das stille, laute, weinende Land – Rumänien im Jahr 1990

Der folgende Artikel vom Herausgeber wurde in der Ausgabe der Zeitung „Österreichisches Jugendrotkreuz“ Ende 1990 veröffentlicht und stellt die Wahrnehmungen hinsichtlicht der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen 1 Jahr nach der Revolution aus der Sicht des damaligen ehrenamtlichen Mitarbeiters des Jugendrotkreuzes & Roten Kreuzes während seiner zahlreichen Rumänienaufenthalte dar.

Landschaft in Rumänien

Landschaft in Rumänien

Die erste Revolution der Neuzeit ist zwar schon fast ein Jahr vorüber, aber trotzdem mangelt es in Rumänien eigentlich noch so an allem, was man sich vorstellen kann. Ob Nahrungsmittel, Bekleidung, Medizin, ja selbst am für uns selbstverständlichem Wasser.

Es wird Jahre dauern bis annähernd eine Infrastruktur im Land vorhanden sein wird. Aus diesem Grund hat die Hainburger Jugendrotkreuz-Gruppe NEPTUN mit ihren eigenen Hilfsprojekten im September mit Unterstützung der Landesleitung begonnen. Auch wenn die Möglichkeiten einer kleinen Jugendrotkreuz-Gruppe mit 25 Mitgliedern beschränkt sind, ist die gezielte und direkte Hilfe noch immer eine effizientere, als einfach Güter an einem Ort abzuladen, wo viele Dinge dann zu guter Letzt in duklen Gassen enden.

Die Gruppe brachte unter anderem bedürftigen Kindern in Arbeiterkindergärten Winterbekleidung, Obst und andere kleine Präsente. Die Kleidung wurde von Allen zuerst anprobiert. Die mitgebrachten Einwegspritzen aufgeteilt für eine Schulimpfungsaktion und ein Krankenhaus. Es wird immer schwerer für derartige Hilfsaktionen das Verständnis und die Unterstützung der eigenen Bevölkerung zu bekommen, aber was können die Millionen, die in ihrer Heimat sind, für die vielleicht schlechten Taten ihrer Landsleute, die sie verlassen haben? Oder sind sie Schuld daran, daß eine Führung mit neuem Namen nicht im Stande ist, die Dinge in mancherlei Hinsicht zu verbessern? Wenn die Frau IANCU ein Brot und Milch kaufen möchte und 2 Stunden in der Schlange ansteht und dann vielleicht mit leeren Händen nach Hause kommt und dort zwei Kinder warten – kann man es ihr verübeln, wenn sie nichts bekommt, daß sie einmal das Land verlassen will?

Wir müssen lernen zu unterscheiden. Wir dürfen nicht alle Menschen in einen Topf werfen. Pole ist nicht gleich Pole. Der Schwarzhändler, der bei uns billig einkauft, ist nicht der gleiche Pole, der ihm die Ware ums teure Geld abkauft. Und Rumäne ist nicht Rumäne. Wie auch bei uns, gibt es dort Menschen, die immer redlich gearbeitet haben und die, die es nicht taten.

Wir sind Menschen, wir sind menschlich, also human. Wir haben eine Verpflichtung, nicht nur weil wir Angehörige des Roten Kreuzes/Jugendrotkreuzes sind, zu helfen, sondern weil wir nicht tatenlos zusehen können. Daß wir Mitglieder des RK/JRK sind, hilft uns dabei und vereinfacht manche Dinge. Aber wir helfen nicht, weil wir dabei sind, sondern wir sind dabei, weil wir helfen wollen.

Glöckels Artikel aus 1990Resignation, Verzweiflung und Aufruhr prägen das Land zur Zeit. Sie sind Vorboten einer hoffentlich bald eintretenden Veränderung. Bis die Verbesserung der Situation eintritt, werden noch Viele das Land verlassen, aber nicht als politische Flüchtlinge. Wußten Sie, daß z.B. aus dem Bereich Siebenbürgen ca. 220.000 Menschen deutscher oder österreichischer Abstammung sind und bereits 90.000 heuer das Land verlassen haben? Aber Viele haben ihr Haus oder die Wohnung nicht verkauft, in der Hoffnung eines Tages zurückzukehren. Wir können sie nur unterstützen, indem wir unsere Hilfe fortsetzen und die sehr schwierige Zeit zu überbrücken helfen.

Im Jänner wird unsere Gruppe wieder einen Hilfstransport durchführen. Es wird schwer werden, die benötigten Materialien für die Schulzahnarztpraxis zu bekommen, aber wenn wir jetzt aufgeben würden, würden wir der Ohnmacht des Nichthandelns verfallen und das wäre Resignation unsererseits.

080202

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