Die Sexualverbrechen eines Gemeinderates – Teil 5

zum Prolog der SerieDer Verhandlungssaal am Landesgericht Korneuburg ist voll. Zahlreiche Medienvertreter befinden sich auf den Zuhörerplätzen. Sogenannte Gerichtskiebitze sitzen auf den Plätzen und haben eine Ablichtung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft in Händen (!?). Den folgenden Medienberichten werden wir auch angesichts dieses Umstandes zu einem späteren Zeitpunkt spezielles Augenmerk widmen.

Die Prozeßformalien werden vorgenommen. Nachdem der Angeklagte, Herr Anton, seine persönlichen Angaben macht, weist ihn Richter Franz Furtner auf die Möglichkeit eines Geständnisses hin und erklärt, daß dies ein Milderungsgrund sei. Vorgehalten werden ihm Vergewaltigung, geschlechtliche Nötigung, sexuelle Belästigung und Nötigung in zahlreichen Fällen, die über einen Tatzeitraum von mehreren Jahren hindurch begangen wurden.

Die Staatsanwältin Gudrun Bischof trägt die Anklageschrift vor und teilt mit, daß beide Angeklagten die Taten leugnen. Seine Gattin Berta ist wegen Nötigung und versuchter Nötigung in drei Fällen, begangen an zwei Opfern, angeklagt.

Die verurteilten Straftäter mit ihren Juristen im Gerichtssaal des LG Korneuburg | Graphik: [M] DerGloeckel.euDie verurteilten Straftäter mit ihren Juristen im Gerichtssaal des LG Korneuburg | Fotographik: [M] DerGloeckel.eu

Die juristischen Vertreter der Verbrechensopfer stellen die Lage und Situation ihrer Mandanten zu den Tatzeitpunkten dar und berichtet unter Vorlage entsprechender Dokumente von den schweren gesundheitlichen und psychischen Schäden, die durch die über einen langen Zeitraum begangenen Sexualdelikte entstanden sind. Auffällig, daß sich sowohl der Täter, Herr Anton, als auch dessen Gattin, Frau Berta, von jeweils einem eigenen Anwalt verteidigen lassen. Auf die Frage des Richters an Herrn Anton, wie er sich bekenne, antwortet dieser „nicht schuldig“.

Für die Opfer des Angeklagten wird eine kontradiktorische Vernehmung durchgeführt. Das heißt, daß der Täter bei der Einvernahme bzw. Zeugenaussage nicht im Gerichtssaal anwesend ist. Die Öffentlichkeit ist bei diesen ebenfalls ausgeschlossen. Anwesende Gerichtspraktikanten, wie auch unser Herausgeber (als ausgewiesene Vertrauensperson der Opfer) sind jedoch zugelassen.

Was dann folgt, war aus unserer Sicht ein Paradebeispiel dafür, wie auch der Faktor Geld in einem Gerichtsverfahren schlagend werden kann. Die Verteidiger, ein Jurist und eine Juristin aus Wien, zogen alle Register um die Opfer im Zeugenstand zu irritieren, zu verunsichern, zu verunglimpfen, gar lächerlich zu machen. In Lächerlichkeit gipfelt beispielsweise folgender Vorwurf des Verteidigers von Anton, der allgemeine Unmutsäußerungen im Gerichtssaal hervorruft und den Richter zu einer ablehnenden Äußerung bewegt: Als der Verteidiger ein Opfer danach befragt, ob sie schon vor den an ihr begangen Taten des Täters Alkohol konsumiert hätte, was sie mit Nein beantwortet und er darauf entgegnet, ob sie denn bei ihrer Hochzeit keinen Alkohol getrunken hätte.

Fürchterlich und schrecklich waren all jene Schilderungen, die die Opfer des Sexualverbrechers zu den Tathergängen und -abläufen vornahmen. Das Bestreben der Verteidigung – rechtlich zwar legitim – Widersprüche zu erzielen, war in den Umsetzungsversuchen moralisch verwerflich. Wer könnte einem Vergewaltigungsopfer zum Vorwurf machen, daß es keine genauen Angaben darüber machen kann, wenn ihr Oberkörper brustvoran gewaltsam gegen eine Tischplatte gedrückt wird? Daß sie sich nicht erinnern kann, mit welcher Hand der Vergewaltiger ihren Slip heruntergeschoben hat oder mit welcher Hand wo und wie die ihre fixiert wurde?

gebrochene Seelen | Foto: DerGloeckel.eu

Ja, und es gab Tränen; Momente wo die Verhandlung kurz unterbrochen werden mußte, wo man sich selbst als Zuhörer zutiefst beschämt abwandte, wo der Schmerz und das den Opfern widerfahrene Leid so gegenwärtig und spürbar wurde. Jedes Detail wurde peinlichst genau hinterfragt und die Verteidigung des Täters trug das ihre dazu bei, dem Klischeebild des Winkeladvokaten, das aus so vielen Filmen bekannt ist, gerecht zu werden.

Während Herr Anton und Frau Berta überwiegend mit geneigten Haupt auf ihrer Bank sitzen und starr am Boden blicken, den Kopf meistens nur dann erheben, als das Wort an sie gerichtet wird, kommt es einem Zuhörer oftmals so vor, als wenn die Rollen in dem Gerichtssaal vertauscht worden wären. Nicht die Täter werden unter Druck gesetzt – es sind die Opfer, da die Verteidigung versucht, deren Glaubwürdigkeit mit allen Mitteln zu untergraben.

Nachdem Tatopfer Wendy ihre Aussage machte, in der sie alle Tathergänge minutiös schildern mußte und peinlichst genau befragt wurde, fragt der Richter den Täter, welche Erklärung er zu den Vorwürfen hat bei denen es auch um Vergewaltigung geht. „Weiß ich nicht“, antwortete Anton, ebenso will er ihr auch keine Pornofilme gezeigt haben. Der Angeklagte: „Nein, stimmt alles nicht“. Der Richter antwortet darauf: „Wenn es eine Zeugin wäre – es gibt noch 3 weitere, die sagen auch alle die Unwahrheit?!“ und liest aus dem Akt die Detailschilderungen derer Aussagen. Darauf der Täter: „Diese Vorwürfe stimmen auch alle nicht.“

So verläuft es bei allen Zeugenaussagen der Opfer, auf sämtliche Vorhalte antwortet Anton stereotyp „Auch alles nicht wahr – ich kann mir das nicht erklären.“ Als er dann zu den Angaben des 3. Opfers diese Aussage wiederholt und ergänzend anführt, daß dieses Opfer zu einer Falschaussage von einem anderen Opfer angestiftet worden sein muß, platzt dem Richter der Kragen und mit erhobener Stimme wirft er dem Angeklagten entrüstet entgegen „Das ist doch absurd!“.

Tief im Bewußtsein vergrabene Erlebnisse kommen schrittweise zurück an die Oberfläche

Das Verfahren zu den Sexualverbrechen, das ja doch einen Zeitraum von annähernd 2 Jahren erreichen wird (Zivilverfahren sind noch anhängig bzw werden gegenwärtig eingeleitet), hat aus Ermittlungssicht wertvolle Erkenntnisse zu Tage gebracht. So hat sich in der Realität gezeigt, daß die traumatisierten Opfer, die unter langen Zeiträumen unter den Taten ihres Peinigers seelisch zu leiden hatten, diese Erlebnisse tief in sich begraben haben. Bei der ersten Befragung der Opfer durch die sachbearbeitende Polizeibeamtin waren viele Details und Angaben zu Abläufen einfach noch nicht in das Bewußtsein zurückgekehrt. Erst die aktive intensive Auseinandersetzung mit den schrecklichen Ereignissen, die zahlreichen behutsam geführten Gespräche mit fachkundigen Personen, wie u.a. Psychologen, Psychiatern und Vertreter der Opferschutzeinrichtung führten dazu, daß tief in sich Vergrabenes, Verborgenes und verschüttete Erinnerungen wieder hochkamen. So verwundert es kaum, daß die Detailschilderungen zu den Taten im Zeitraum zwischen erster polizeilicher Zeugeneinvernahme und den Aussagen vor Gericht immer präziser wurden. Dies ist eine für uns sehr wertvolle Erkenntnis. Erst das Aufbrechen des Verfahrens, ausgelöst durch die Anzeige eines einzigen Opfers, hat dazu geführt, daß letztlich vier Frauen eine Aufarbeitung der traumatischen Erlebnisse vorzunehmen beginnen konnten, was aber auch keine Garantie dafür ist, daß sie diese auch bewältigen werden können.

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